Es gibt keine Rasse und das ist seit 100 Jahren bewiesen - Christian Springer zu Gast in der Mittelschule

Grassau (tb) – „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“, so darf sich die Grassauer Grund und Mittelschule seit dem letzten Jahr nennen. Mit vielen Veranstaltungen wird für gegenseitiges Verständnis geworben, aber auch intensiv die deutsche Geschichte aufgearbeitet und vor allem an die Grausamkeiten des dritten Reichs erinnert. Der Kabarettist und Buchautor Christian Springer, der unter anderem mit der Initiative „Schulterschluss“ und mit seinem Verein „Orienthelfer“ zur Befriedung und mehr Verständnis beitragen möchte, informierte die zehnten Klassen über seine Jahrzehnte lange Suche nach dem Massenmörder Alois Brunner. Initiiert wurde die Veranstaltung von Jürgen Buhe im Rahmen der Alfred Delp Ausstellung in Marquartstein und finanziell unterstützt wurde sie vom Rotary Club Prien und der Marktgemeinde Grassau.

      Einleitend betonte Schulleiter Marcus Ullrich, dass  Christian Springer Courage mit seinem Verein Orienthelfer zeige. Es bedarf aber auch Courage, um jahrzehntelang den Massenmörder Alois Brunner zu suchen. Mit Springer beschäftigten sich im Vorfeld zwei Schüler, die in einer ansprechenden Präsentation die Vita des Kabarettisten wiedergaben. Allem konnte Springer zustimmen, nur nicht, dass er Gründer des Bayrische Diatonischen Jodelwahnsinns war. Ullrich erkundigte sich, woher das Interesse an der Person Alois Brunner kam. Dies war ein großes Thema in seinem Leben, so Springer. Er holte tief aus, erinnerte an seine Kindheit, an eine offene, von Menschlichkeit geprägten Familie, in der alles thematisiert wurde, die gegen Nazis und Faschisten waren, an seinen Vater, der Obsthändler war und Obst aus allen Herren Ländern im Großmarkt besorgte. Groß geworden sei er in seiner Zeit der Religionsfreiheit und Pressefreiheit und schon früh interessiert am Orient. Er beschrieb die Zeit der 80ziger Jahre mit vielen Kriegen, eine blutige Zeit, und Syrien, das auf keiner Landkarte verzeichnet war. „Ich wurde mit der Neugier auf das Fremde groß“, betonte er. Seine Familie hatte nie Angst vor dem Fremden. So war er mindestens 40- bis 50-mal in Syrien. Einmal sei ihm auf dem Markt von Damaskus die Tasche gestohlen worden. Was er anfangs nicht wusste, war, dass Syrien ein beliebtes Versteck für alle Terroristen und alte Nazis war und schließlich auch Heimat des Naziverbrechers Alois Brunner wurde. Springer erzählte, dass er oftmals mehrere Wochen in Syrien blieb und die einzige Verbindung zur Heimat die Süddeutsche Zeitung, von der es nur drei Exemplare gab. Die Zeitung wurde auch nur in einem Geschäft, in dem sich viele alte deutsche Männer aufhielten, verkauft. Eines Tages las er eine Anzeige, in der für die Ergreifung des Alois Brunner, der sich in Syrien aufhält, eine Belohnung von 500.000 Mark ausgelobt wurde. Erst da wurde ihm bewusst, dass er womöglich bereits einem Massenmörder begegnet ist. Brunner war es, der noch zum Ende des Krieges Juden nach Ausschwitz deportieren ließ und sich damit brüstete Wien judenfei gemacht zu haben. „Er hat Kinder und sogar 200 Babys umgebracht“, so Springer. Weit über 100.000 Menschenleben hat er zu verantworten und wurde nie zur Rechenschaft gezogen. 

Die Schüler im Saal hangen an Springers Lippen, waren völlig ruhig, interessiert und teilweise entsetzt. Etwas versöhnlich zitierte Springer auch Simon Wiesenthal, dessen Lebensaufgabe das Aufspüren von NS-Verbrechern war, der Täter nach Recht und Gesetz verurteilt wissen wollte und nicht nach Rache strebte. Er, Springer, habe 20 Jahre nach Alois Brunner gesucht, der für den deutschen und syrischen Gemeindienst gearbeitet habe. „Was ich Deutschland vorwerfe, ist, dass Massenmörder bezahlt wurden um psychoscheiß Geheimnisse zu haben“, so Springer deutlich. „Lasst uns nicht zu Mittätern werden“, mahnte er. Warum wohl das syrische Regime Brunner geschützt habe, wollte Ullrich wissen. Doch wer so viel weiß und reden kann, ist gefährlich, so Springer. So wurde Brunner bewacht und durfte in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr aus der Wohnung und auch nicht ans Fenster.  Springer informierte die Schüler auch über Adolf Eichmann, einer der Hauptorganisatoren des Holocaust, der nach Argentinien floh, 1960 entführt, nach Israel gebracht und dort 1962 zum Tode verurteilt wurde. Wie Springer betonte, gibt es kein Grab, die Asche wurde im Meer. Springer wusste, dass Brunner und Eichmann in einer Wohnung zusammenlebten, bevor Eichmann aus Angst nach Argentinien floh. Nach so vielen Informationen, stellten zwei Schüler den Staat Syrien vor, der gar nicht in so großer Entfernung liegt und dessen Speisen längst über die Türkei auch in unsere Küchen gefunden haben. 

 

Blick in die Vergangenheit zeigt – die Syrer haben uns verteidigt

Die Entfernung zum Orient sind nicht so groß. Auch Norwegen, europäisch, liegt 2000 Kilometer entfernt mit einer völlig anderen Kulturlandschaft. Deshalb, so Springer, gab es das römische Reich, das die Mittelmeerregion umfasst. So waren vor 1800 Jahren die Römer da, um vor den Germanen zu verteidigen. Bogenschützen, die damals in Bayern waren, stammten aus Tunesien und Syrien und waren 300 Jahre im Land. „So mancher Trachtenvorstand wird wohl syrisches Blut in sich tragen“, vermutet Springen. Auch auf die Weltlage ging der geschichtsversierte Kabarettist ein, verwies auf die Restzeituhr in Teheran, die die Zeit bis zur endgültigen Vernichtung Israels angibt. Eine Ölpipeline vom Iran führe durch Syrien und so werde iranisches Öl weltweit verkauft. „Die ganze Welt weiß es und keiner macht etwas“, so Springer. Auch informierte er, dass es Syrien, Palästina und Jordanien nie als Länder gab. Es waren regionale Begriffe und die Grenze sei nach dem ersten Weltkrieg entstanden. Springer berichtete, dass die Hisbollah den Hitlergruß verwende und das beliebteste Buch „Mein Kampf“ sei, die Gaskammern nach deren Meinung nie existent gewesen seien. Er Springer sei absolut für eine Zweistaatenlösung, jedoch nicht mit dieser Regierung und Abbas als Chef. Dieser habe bestritten, dass es Konzentrationslager gab. „Nazis – es lebt und lebt“, so Springer. 

      Wie schwer es ist sein eigenes Land verlassen zu müssen, um Aussicht auf ein friedliches Leben zu haben, erzählte der 18jährige Samir, der die zehnte Klasse besucht, gerne eine Lehre machen würde oder studieren möchte. Er und sein Bruder durften aus Afghanistan mit seinem Onkel, der den Militärs der Nato half und als Staatsfeind betrachtet wurde.  So konnte er im August 2021 Kabul verlassen. Für ihn sei dies die große Chance gewesen.  Samir erzählte von seinen Geschwistern, seinen jüngsten Bruder, gerade einmal vier Jahre alt, habe er noch nie gesehen. Der Kontakt sei sehr schwierig. Zunächst kamen sie von Kabul nach Ungarn, wo sie unmenschlich behandelt wurden. 13 Menschen in einem Zimmer und immer wieder offene Anfeindungen. Schließlich kamen sie nach Fürstenfeldbruck und dann weiter nach Grassau. Gerade einmal wenige Jahre später, sprich Samir Deutsch und strebt die mittlere Reife an. Sein Bruder macht eine Ausbildung. Er hat viele Freunde und sieht seine Zukunft in Deutschland. Natürlich denkt der junge Mann auch an seine Familie in Afghanistan, an seine Schwestern, die nicht zur Schule dürfen, an seiner Mutter, die nicht mal vor die Haustüre kann. Bevor sich das Militär aus Afghanistan zurückzog, konnten er und sein Bruder eine Schule besuchen und waren dort die Besten der Klasse. Deshalb fiel auch auf die beiden das Los mit dem Onkel gehen zu dürfen. „Wie schwer muss es für eine Mutter sein, die Kinder gehen zu lassen, ohne zu wissen, ob man sie jemals wiedersieht“, so Andrea Roder, Sozialarbeit an der Schule, die unter anderem auch die Flüchtlingskinder betreut. 

    Es folgte ein kleines Experiment und Christian Springer schickte alle Frauen aus dem Raum, keine weigerte sich, nur Doktor Maria Schneider, Vertreterin des Rotary Clubs zögerte mehrfach. Doch Springer wollte den männlichen Schülern zeigen, wie leer die Welt ist ohne Frauen, wie menschenunwürdig es ist, einen Geschlechterunterschied zu machen. „Setzt euch jeden Tag für Demokratie ein. Lasst autokratische Systeme nicht zu“. Schule gegen Rassismus sei gut gemeint, aber er hasse diesen Begriff, denn es gebe keine menschlichen Rassen. Man bestehe zu 80 Prozent aus Wasser, und Knochen und unterscheiden uns nur aufgrund der witzig kleinen DNA. „Wir sind komplett gleich und das ist seit über 100 Jahren wissenschaftlich erwiesen“. E appellierte an die Schüler sich gegen Hass und Hetze zu wenden. „Wenn sich zwei zusammentun, können diese die Welt verändern, denn dann kommt ein dritter, vierter und noch viel mehr hinzu“. So seien die Orienthelfer entstanden. Springer rief zur Freundschaft und Toleranz auf. Schließt Allianzen, um die Welt zu versöhnen und habt keine Angst vor Veränderungen, lasst nicht alles wie es ist. 

      Springer gelang es die Schüler anzuholen und mitzunehmen. Zwei Stunden Stimme und ebenso ruhig und nachdenklich verabschiedeten sich die Jugendlichen. Man würde sich mehr dieser Exkursionen in die Vergangenheit wünschen.  tb